Brigitte Ederer war gerade Chefin von Siemens in Österreich geworden und das Frauennetzwerk-Medien lud sie zu einem Gespräch ein. Wir waren schon ein wenig erstaunt, als sie zugab, dass das mit dem Feminismus und der Frauenförderung nicht hochrangig auf ihrer Agenda stehe. Zuerst kämen andere Dinge. Das änderte sich dann doch im Laufe der Jahre und jetzt ist Brigitte Ederer sogar eine Befürworterin der Quotenregelung.
In Erinnerung ist die studierte Volkswirtin vielen durch ein historisches Foto: Als ihr der damalige ÖVP-Außenminister Alois Mock nach der mehrheitlichen Zustimmung der Österreicherinnen und Österreicher zum EU-Beitritt ein Busserl auf die Wange drückte vor versammelter Journalistenriege. Brigitte Ederer war damals im SPÖ Kabinett von Franz Vranitzky Europa-Staatssekretärin. Bis heute, sagt Ederer, war die EU-Abstimmung ihr größter Erfolg.
Brigitte Ederer stammt aus einer Arbeiterfamilie. Ihre Mutter war Alleinerzieherin von 2 Kindern, die beide studiert haben. Schon bald war sie bei den Roten Falken aktiv, einer Jugendorganisation der SPÖ, dann bei der Sozialistischen Jugend und dann beim VSStÖ. Ihre politischen Aktivitäten hat Ederer auf Bezirksebene im 2. Bezirk begonnen, wo sie noch immer lebt und „wenn es dort einen Friedhof gäbe, würde ich dort auch begraben werden,“ sagt sie schmunzelnd.
Als Fred Sinowatz sie 1983 ins Parlament holte, war sie mit 27 Jahren die damals jüngste Abgeordnete. Es folgte ihre Zeit als EU-Staatssekretärin, 1995 wurde Ederer SPÖ-Bundesgeschäftsführerin und dann Finanz-und Wirtschaftslandesrätin in Wien. Von dort wechselte sie zu Siemens Österreich, deren Führung sie 2005 übernahm. Rund fünf Jahre später stieg sie in den Vorstand der Siemens AG München auf und war dort für Europa und für Personal zuständig. 2013 wurde sie vorzeitig abberufen und sitzt seither in mehreren Aufsichtsräten, darunter wieder im Aufsichtsrat der ÖBB, wo sie bis zum türkis-blauen Regierungsantritt den Vorsitz innehatte.
Was ist für Sie Feminismus?
„Feminismus ist für mich, dass es die absolut gleichen Rahmenbedingungen und Chancen für Frauen und Männer gibt zum Beispiel bei der Kindererziehung. Und dass es völlig egal ist, ob man ein Mann oder eine Frau ist, um eine Position zu erreichen oder eine gesellschaftliche Meinung vertreten zu können.“
Was ist der Unterschied zwischen Politik und Privatwirtschaft?
„In Politik und Privatwirtschaft ist viel mehr gleich wie man glaubt, weil es ist in beiden Fällen das Bohren harter Bretter. Trotzdem glaube ich, dass Politik schwieriger ist als eine Managementposition in der Privatwirtschaft, weil am Ende des Tages kann man in der Privatwirtschaft sagen: Das machen wir jetzt so. Man kann entscheiden. In der Politik musst du zuerst die Widerstände in der eigenen Partei überwinden und machst hier schon Kompromisse. Dann gehst du zum politischen Gegner oder Koalitionspartner. Da musst du nochmals Kompromisse machen, wenn du etwas durchbringen willst. Das war für mich schon mühsam und oft enervierend.“
Rückblickend sagt Ederer: „Ich hätte mich weniger kränken sollen,“ denn:
„In einer Managementposition bist du einsam und es ist dünne Luft. Und die Frage ist, tut man sich das an? Männer empfinden die dünne Luft nicht so, glaube ich. Ich habe manchmal den Eindruck, das Arbeitsleid wird von Männern weniger registriert als von Frauen. Machtkämpfe gehören irgendwo dazu. Natürlich kränken sich die Männer auch und natürlich sind sie betroffen, aber sie schütteln es mehr ab als Frauen.“
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